GRAVITY

 

Einmal im Jahr darf’s sein. Da hat das Gehirn die Wut vom letzten Jahr verdrängt und sagt  „Komm schon! Diesmal sind sie garantiert nicht da. Du ärgerst dich danach wieder grün, wenn du wegen denen nicht reingegangen bist.“ 

Und dann geht er einmal im Jahr hin, der Porzel. Zu so Sachen, die ihn interessieren könnten. So Konzerte. Oder Kabarett oder so. Und jetzt war’s halt mal Kino. Und prompt passiert’s! Wie im letzten Jahr, als ich mir geschworen hab’ dass ich nicht mehr hingehe. 

Gleich vorneweg: GRAVITY ist ohne jede Einschränkung ein Meisterwerk. Bei all den Anstrengungen, die Hollywood normalerweise unternimmt, um die Bemühungen sämtlicher Physiklehrer weltweit in knapp eineinhalb Stunden zuschanden zu reiten, mit GRAVITY ist Alfonso Cuaron ein Film gelungen, der spannender und realistischer in Erzählung, Darstellung, Liebe zum Detail, Dramatik und allem, was dazu gehört, nicht sein kann. Noch dazu in einem Genre, welches, was seine Verfilmungen angeht, eigentlich nie an Hohlheit entbehrt und ein Klientel bedient, von welchem man annehmen möchte, dass ihm alltäglich von bösen Mächten allerlei Bewusstsein vernebelnde Substanzen ins Trinkwasser gegeben werden. Immer, wenn zum Beispiel Emmerich- Filme Rekorde brechen, bin ich versucht zu glauben, dass der Durchschnittskinogänger nur bis zum zarten Alter von sieben Jahren dazulernt. Danach frisst er nur noch. Und trinkt viel süßes Zeug. Mit dieser Erwartungshaltung ausgestattet, gelingt es mir meist, mich fernzuhalten, wenn Bruce Willis mit Weltraumfähren losdüst, auf Kometen amerikanische Flaggen hisst und im All alles anzündet, was nicht schnell genug weiterfliegt. 

GRAVITY, dachte ich, gucken diese Leute nicht an. Wegen dem Anspruch. Weil das einfach zu gut ist und da keine Marsmännchen ohne Rücksicht auf die Spritpreise im Weißen Haus landen, mit dem Präsidenten Halma spielen und ganze Kontinente mal eben so in Luft auflösen.  

FALSCH! Sie waren da…

Krsskrrkkrrsskrssskrss! Popcorn zermalende Kiefer. Dieses Geräusch treibt mir jedes Mal den Angstschweiß aus den Poren Man konnte die Kieferträger noch nicht sehen, zu hören waren sie aber allemal schon. Von draußen! Und als sie dann zu sehen waren, konnte ich’s nicht glauben: Die tragen ja mittlerweile ganze Eimer rein! In der rechten Hand einen farbkübelgroßen mit Popcorn, in der linken die bequeme Sechsliterpappbechereinheit mit Coca Cola. War das ein Zinnober in diesem Kinosaal! GRAVITY als Meisterwerk für sich gegen die geballte Ignoranz der Mobiltelefonmitfilmer und Dauerfacebookposter. Man weiß tatsächlich nicht, wem oder was man mehr Aufmerksamkeit schenken soll; dem Film oder den olympischen Wettstreitern im Zucker saufen und Rumknurpseln. Ich hab’ mich in dem Lärm mal umgesehen, ein bisschen beobachtet und glaube jetzt zu wissen, woran’s liegt, dass die nach Feierabend tonnenschwere Kalorieneinheiten ins Dunkle schleppen zu einem Werk, das sie normalerweise aufgrund seines Anspruchs meiden wie der Teufel das Weihwasser. 

Der Grund dafür ist George Clooney! Die Mädels wollen George Clooney sehen, und die Typen müssen alle mit. Die müssen das Zeug schleppen. Und dann lachen die Mädels immer, obwohl’s in dem Film gar nix zu lachen gibt, aber George schaut halt eben nun mal so süüüüß aus in seinem Raumfahrerhelm. Und wenn dann Sandra Bullock ins Bild kommt, kann man sich ruhig mal ein wenig unterhalten, weil George ja gerade nicht mitspielt (In einer Szene sagt Frau Bullock, der Szene durchaus entsprechend „Ich habe nie gelernt, wie man betet“, was der Colaträger hinter mir mit einem durchaus ernstgemeinten „Siehst du, Schatz? So geht’s, wenn man keine Religion hat“ kommentierte, während seine Lebenspartnerin gerade mit 120 Dezibel zwei Snickers- Riegel entblätterte …). 

George mach einen guten Job, der kann nichts dafür. Sandra Bullock wird so wie Regisseur Alfonso Cuaron  einen Oskar kriegen. Die Zuckerfresser kriegen hoffentlich Darmverschluss. Und ich die Motten, wenn ich nächstes Jahr, wenn die Wut weg ist, wieder irgendwo mittendrin der fleischgewordenen Dekadenz bei der Nahrungsaufnahme zuhören muss.

Guter Film. 

Nacht allerseits…

 

 

PS: 3D im Multiplex sollte es sein, in der Glotze hat der Film wenig Sinn…