17.01.2025
GIBT ES LEBEN OHNE SOCIAL MEDIA?
Die meisten Leute reagieren mit einem, naja, einem gewissen Unverständnis, wenn man erwähnt, dass man sich aus INSTAGRAM raushält. Wie kann jemand, der doch im Grunde darauf angewiesen ist, Bands und deren Auftritte unter’s Volk zu bringen, so dämlich sein und die Vorteile nicht nutzen, die der Künstlerbranche auf FACEBOOK,
TICTOC oder ähnlichen Plattformen geboten werden? Noch dazu, wo man das da doch alles umsonst kriegt und im Bedarfsfall für ein paar Euro obendrauf die ganze Welt dazu?
Die Frage ist durchaus berechtigt. Wenn man schon ein paar Tage länger dabei ist und an die Nächte in den Siebzigern und Achtzigern zurückdenkt, in denen komplette Bands mit langem, wallenden Haupthaar, einem Eimer Tapetenkleister, einem Tacker und hunderfünfzig von eigener Hand beschrifteten Plakaten im VW Bus losgezogen sind, um in der Stadt die Elektrokästen und auf dem Land die Scheunentore zuzukleben, dann sollte man die Vorteile des digitalen Zeitalters durchaus zu schätzen wissen. Wie kann man denn dann so stur sein und sich dem komplett verweigern? Das ergibt doch keinen Sinn! Oder?
Also, grundsätzlich soll das jeder oder jede halten, wie er oder sie das halten will. Es spielt zudem eh längst keine Rolle mehr, welche Gründe man anführt ob der Selbstverständlichkeit, mit der man sich im Netz offenbart. Ich war ja auch ein paar Jahre dabei.
Auf facebook. Hab dies und jenes geschrieben, habe die einen oder anderen Bilder „gepostet“, habe Kommentare gelesen, habe selber welche losgelassen, mich über einige gefreut, über die meisten schwarz geärgert und habe mit der Zeit dann an mir selber gemerkt, wie sehr mich das verfluchte Ding verändert. Was es mit mir angestellt hat, ohne dass ich es eigentlich mitgekriegt habe. Wie ich plötzlich auf irgendwelche Daumen scharf wurde, die nach oben zeigten und wie ich manchmal die am liebsten gelöscht hätte, die nach unten gingen. Was mir beim Lesen von tausenden von unterirdisch dämlichen „Kommentaren“ durch den Kopf ging, was für „Meinungen“ vertreten wurden, zu welchen Themen auch immer, wie die Höllenmaschine meinen eigenen Narziss fütterte und wie geschickt die exzellent geschulten Psychologen des Sillycon Valley sich darauf verstanden, mir jeden Tag ein paar Gramm Verstand mehr aus der verbeulten Birne zu saugen.
Es war, als würde Zuckerberg in Millionenauflage kostenlose Internet-Ikea-Siegerpodestchen zum Selberbasteln an jeden verteilen, der sich in seine Fänge begeben hatte. Milliarden von Menschen bauen seither ihre kostenlosen, digitalen Podestchen zusammen, stellen sich auf ihren selbstgezimmerten Platz Eins und winken all den anderen Zeitgenossen auf deren Siegerpodestchen zu, um ihnen zu zeigen, dass man jetzt auch mal gewonnen hat. Selbstbeweihräucherungsorgien allüberall, eine Art Öffentlichkeitsonanie mit Eigendynamik.
Und facebook und x entwickeln sich weiter: Der Strafbestand der Beleidigung wird plötzlich zur „Meinung“ erklärt. Dahergelogene, offensichtlich aus der Luft gegriffene Behauptungen, zu welchen Sachverhalten auch immer, werden zu „alternativen Fakten“ und eindeutige, wissenschaftliche Erkenntnisse werden lediglich zu einer „Interpretation eines Sachverhalts“ erklärt. Natürlich unter Verwendung einer nicht ganz so qualifizierten Wortwahl.
Kurz gesagt: Die schiere Blödheit wurde in wenigen Jahren global salonfähig, die Trumpisierung trampelt mit Siebenmeilenstiefeln durch durch die Wohnzimmer aller Ländereien.
Ich habe die Reißleine gezogen, als sich nach irgendeinem „Beitrag“ meinerseits aus heiterstem Himmel Schimpfkanonaden ohne Ende auf meinem „account“ einfanden. Obwohl die meisten Leute den Humor verstanden, riss die Bombardierung derer, die nicht mal im Ansatz kapieren wollten, um was es da ging, einfach nicht mehr ab. Reißaus zu nehmen war die einzige Möglichkeit, der Idiotie noch Herr zu werden. Das Löschen des kompletten Zugangs war wahrscheinlich die Rettung meines verbliebenen Rests an geistiger Gesundheit.
Und kaum bist du weg von dem Zeug, denkst du daran, wieder einzusteigen: Facebook als Kokain des kleinen Mannes. Es dauerte wirklich ein paar Wochen, den Abstand zu gewinnen und zu verinnerlichen. Aber eine Kündigung bei social media? In diesen Zeiten?
Das schreit ja geradezu nach Rechtfertigung. Alsdann:
Man kann natürlich denen, die diesen Firlefanz nicht mehr mitmachen, eine Rückständigkeit und ein Leben im tiefsten Mittelalter unterstellen. Vielleicht auch eine gewisse Feigheit oder auch eine Diskussionsverweigerung. Oder man kann dahingehend argumentieren, daß man an der heiligen Dreifaltigkeit MUSK, ZUCKERBERG und THIEL eh nicht mehr vorbeikommt. Aber wenn das Argumente für das Verbleiben auf social media sein sollen, dann kann sich eine jede Schafherde umgehend im Schweinsgalopp ins Wolfsrudel stürzen, weil es eh keinen Sinn hat, entkommen zu wollen.
Muss man Leuten, deren Vermögen auf 400 Milliarden (!!) Dollar geschätzt wird, denn wirklich die eigene Existenz opfern und sich der Gehirnwäsche der Multimilliardäre unterziehen, weil das doch schließlich alle machen? Muss man sich einer Maschinerie beugen, die nichts hervorbringt als globalen, gnadenlosen Narzissmus allerorten?
Die Sillycon Valley freaks haben einen Planeten ohne jede Substanz geschaffen. Ganze Generationen verlieren sich in einer Scheinwelt aus blühendem, digitalem Narziss, die Segel mitten in die digitale, heiße und trockene Luft ihrer PC- Lüftungspropeller gehisst.
In unserer Branche müssen sich gestandene Mannsbilder auf social media von Facebookjüngern maßregeln lassen, die einen einzigen Auftritt im Monat für eine Tournee halten und die mit hochgegeelten Frisuren auf dem Weg dorthin in der nächsten Unterführung hängenbleiben.
Derweil kaufen sich die Betreiber und Förderer der weltweiten Narretei heute den nächsten Rolls Royce, weil bei dem von gestern Nachmittag der Aschenbecher voll ist. Nebenbei kippen sie im Vorbeifahren mit Hilfe ihrer digitalen Narzisstenjünger sämtliche demokratischen Systeme dieses Planeten, weil sie nach dem Ableben von Konsens und Vernunft die fünfhundertste Milliarde auf dem Konto der sozialen Verarmung vollmachen können.
Pfeif drauf, soll’s dann eben doch gegen Ende hier doch noch kitschig und pathetisch werden: Für meine Sicht der Dinge geht es angesichts des Einzug haltenden Irrsinns in dieser seltsamen Gesellschaft einfach nur darum, ein einigermaßen anständiger Mensch bleiben zu können.
Es geht darum, angesichts der massiven, antidemokratischen und menschenverachtenden Hetze, der Hochstapelei und des Geplärrs wenigstens ansatzweise noch in Würde altern zu dürfen.
Die Würde des Menschen, so sagten die Alten, ist nämlich unantastbar.
In diesem Sinne: Fuck social media!
Ich plädiere für eine Welt, in der komplette Bands mit langem, wallenden Haupthaar, einem Eimer Tapetenkleister, einem Tacker und hunderfünfzig von eigener Hand beschrifteten Plakaten im VW Bus losziehen und die sich vorher darum streiten, wer mit dem Fahren dran ist!
PEACE, LOVE, GOOD BEER AND ROCK’N‘ROLL
Cheers
Steff
ganz und gar ohne KI…